Internationale Logistik

Internationale Logistik
von Professor Dr. Ingrid Göpfert
I. Begriff
Der Begriff internationale Logistik bezeichnet Logistiksysteme und -prozesse, die die nationalen Grenzen überschreiten. Ein Blick in die gegenwärtige Wirtschaftspraxis zeigt, dass bereits heute die große Zahl der Logistiksysteme grenzüberschreitend ausgelegt sind. Das bildet das Ergebnis der fortschreitenden Internationalisierung in Industrie, Handel und Dienstleistung. Ein wahrer Internationalisierungsschub setzte weltweit Anfang der achtziger Jahre ein. Seit dieser Zeit beobachten wir einen beschleunigten und progressiven Verlauf des Internationalisierungsprozesses. Prognosen schreiben diesen Trend auch für die Zukunft fort. Unter der Wissenschaftsdisziplin Logistik ist die internationale Logistik zu verstehen ( internationales Management).
II. Konzeption
Ausgangsbasis für die Konzeption der internationalen Logistik bilden die Auffassungen über Logistik. Hierbei hat sich mehrheitlich das Verständnis durchgesetzt, wonach unter Logistik das Management der Material- und Warenflüsse sowie der Informations- und Geldflüsse in Wertschöpfungssystemen zu verstehen ist ( Logistik). Danach besteht die große Herausforderung der Logistik darin, die Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen oder in einem unternehmensübergreifenden Netzwerk so zu konfigurieren und zu koordinieren, dass die Kundenaufträge in kurzer Zeit und hoher Qualität zu niedrigen Kosten erfüllt werden.
Inhalt einer Konzeption sind Aussagen über Ziele, Aufgaben und Instrumente. Die Ziele der Internationalen Logistik sind:
– Die Wertsteigerung von Produkten durch Logistikserviceleistungen. Die sich vom Mutterland unterscheidenden fremden Kulturbereiche setzen spezifische Erwartungen an den Logistikservice.
– Die Reduzierung/Optimierung der Logistikkosten. Dazu gehören v.a. die Kosten für die Planung und Steuerung transnationaler Produktionsnetze, für die weltweite Beschaffung (Global Sourcing), die internationale Distribution der Fertigwaren (Global Distribution) und die Kosten für die internationalen Gütertransportnetze.
– Die Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit der länderübergreifenden Logistiksysteme (Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Entsorgungslogistiksysteme).
Die Aufgaben der Internationalen Logistik können in drei Aufgabenfeldern unterteilt werden. Ein erstes Aufgabenfeld beinhaltet auf der strategischen Managementebene die Abstimmung zwischen den Internationalisierungsstrategien des Unternehmens und der Logistik. So sind die logistischen Anforderungen in einem exportorientierten Unternehmen ganz andere als in einem Unternehmen mit Direktinvestitionen und Auslandstöchtern. Da die Logistik einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor in internationalen Unternehmen bildet, nimmt sie auch in hohem Maße Einfluss auf die Entscheidungen über die Internationalisierungsstrategien. Das zweite Aufgabenfeld fasst alle Aufgaben zusammen, die sich auf die internationale Standortverteilung der Wertaktivitäten (z.B. die Standorte der Produktionswerke, die Standorte von Forschungs- und Entwicklungszentren sowie die Standorte von Lagerhäusern/Distribution Center) und auf die Gestaltung der Material-, Waren-, Informations- und Geldflüsse zwischen den Standorten und kooperierenden Unternehmen beziehen. Das dritte Aufgabenfeld beinhaltet die Umsetzung der Strategien und Wertschöpfungssystemstrukturen in operative Geschäftserfolge (z.B. Umsatzwachstum auf den Auslandsmärkten und Return of Capital Employed).
Zur Durchführung der genannten Aufgaben bedient sich die internationale Logistik der bekannten Managementinstrumente. Das sind im besonderen die Szenario-Technik zur Analyse und Prognose der für die Logistik relevanten Umweltbedingungen, die Portfoliotechnik zur Auswahl der internationalen Logistikstrategien sowie die Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (PPS) bzw. Advanced Planning and Scheduling Systems (APS).
III. Internationale Logistikstrategien
Die internationalen Logistikstrategien hängen direkt mit den internationalen Strategien von Unternehmen zusammen. Im wesentlichen werden vier Strategietypen unterschieden; angefangen von der nur exportorientierten Strategie eines Unternehmens mit Sitz im Heimatland bis hin zur globalen Strategie eines Weltmarktunternehmens. Jeder Strategietyp besitzt sein spezifisches internationales Logistiksystem. Das heißt, dass z.B. zu der globalen Strategie eines internationalen Unternehmens typischerweise auch nur eine globale Logistikstrategie passt. Die Merkmale der vier internationalen Logistikstrategietypen sind:
Exportorientierte Logistikstrategie: Ein Unternehmen mit einer exportorientierten Logistikstrategie produziert ausschließlich auf dem Heimatmarkt. Die internationalen Geschäftsaktivitäten werden durch den Warenexport geprägt. Diese Aktivitäten können von dem Import von Einsatzgütern begleitet sein. Für die Logistik folgt daraus, dass sich die internationalen Logistikprozesse auf den grenzüberschreitenden Transport der Import- und Exportgüter, die in der Regel nicht in Regie des Unternehmens sondern eingeschalteter Exporteure sowie Importeure wahrgenommen werden, reduziert.
Multinationale Logistikstrategie: Bei dieser ist das Unternehmen auf den einzelnen nationalen Absatzmärkten mit der kompletten Wertschöpfungskette jeweils präsent. Forschung und Entwicklung und Produktion der auf den Auslandsmärkten nachgefragten Waren sind in den jeweiligen Ländern angesiedelt. Zwischen den Auslandsmärkten finden keine übergreifenden Abstimmungen statt. Die höchste Umsetzungsstufe der multinationalen Strategie findet sich in dem dezentralen Modell des Weltmarktunternehmens wieder. Die dazu passenden Logistiksysteme sind umfassend an die nationalen Besonderheiten angepasst. Es sind autonome Systeme. Lokale Marktnähe bildet die zentrale Zielsetzung dieser Strategie. Synonyme Bezeichnungen sind Lokale oder Länderspezifische Logistikstrategie.
Einfache globale Logistikstrategie: Diese ist typisch für das zentralisierte Organisationsmodell des Weltmarktunternehmens. Globale Effizienz ist die Zielsetzung. Produziert wird an einem zentralen Standort in der Welt, von dem aus die Waren weltweit distribuiert werden. Die Logistiksysteme sind weltweit aufgestellt. Das Logistikmanagement der Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Entsorgungsprozesse wird für alle Beschaffungs- und Absatzmärkte zentral wahrgenommen. Länderspezifische Bedingungen werden bis auf den Einfluss auf die Durchführung von Gütertransporten ignoriert.
Transnationale Logistikstrategie: Die Wertaktivitäten (F&E, Produktion, etc.) sind auf die vorteilhaftesten Standorte in der Welt verteilt. Zwischen diesen Standorten findet ein intensiver Leistungsaustausch in Form des integrierten Netzwerks mit ständigem Austausch von Komponenten, Produkten, Informationen und Ressourcen statt6. Globale Effizienz, lokale Marktnähe und hohe Innovationsfähigkeit sind die zentralen Strategieziele. Synonyme sind Globale Koordinationsstrategie oder Mischstrategie. Die Anforderungen an die Koordination der Material-, Waren-, Informations- und Geldflüsse sind bei der transnationalen Logistikstrategie am größten.
Literatur: Albach, H., Die internationale Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung, in: ZfB, 51. Jg., Ergänzungsheft 1 (1981), S. 14 ff.; Bartlett, C.A./ Goshal, S., Internationale Unternehmensführung: Innovation, globale Effizienz, differenziertes Marketing, Frankfurt a.M., New York 1990; Engelhard, J./ Dähn, M., Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit, in: Macharzina, K./ Oesterle, M.-J. (Hrsg.), Handbuch Internationales Management, Wiesbaden 1997, S. 24–44; Gnirke, K., Internationales Logistikmanagement – Strategische Entwicklung und organisatorische Gestaltung der Logistik transnationaler Produktionsnetzwerke, Wiesbaden 1998; Göpfert, I., Logistik. Führungskonzeption, München 2000; Krog, E.H./ Jung, K.-P., Logistische Zukunftsforschung aus Sicht eines Automobilherstellers – am Beispiel der Wachstumsregion Südamerika, in: Göpfert, I. (Hrsg.), Logistik der Zukunft – Logistics for the Future, 3. Aufl., Wiesbaden 2001, S. 159–178; Pfohl, H.-C., Logistiksysteme, 6. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 2000, S. 373–401; Porter, M., Der Wettbewerb auf globalen Märkten, in: Porter, M. (Hrsg.), Globaler Wettbewerb. Strategien der neuen Internationalisierung, Wiesbaden 1989, S. 17–68.

Lexikon der Economics. 2013.

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